Das Leben ist kein Seidenschal - Freiin Anselma Elfriede Gutrid von Hochfeld zu Kammern berichtet

Gast

Re: Das Leben ist kein Seidenschal - Freiin Anselma Elfriede Gutrid von Hochfeld zu Kammern berichtet

Beitrag von Gast » Fr 28. Jul 2017, 09:12

Liebe Eugenia Louise, liebste Freundin,

er kommt zurück! Heinrich Herbert wird zurück kommen. Von der ersten Telegrafenstation aus, die für meinen geliebten Mann erreichbar war, hat er mir eine Nachricht gesandt. Er befindet sich auf dem Heimweg, kehrt zurück, um sich seinen Angelegenheiten zu widmen. Er kommt heim.

Unsere Gebete wurden erhört!

Viel zu aufgeregt, um mehr zu schreiben.

Deine Anselma

Gast

Re: Das Leben ist kein Seidenschal - Freiin Anselma Elfriede Gutrid von Hochfeld zu Kammern berichtet

Beitrag von Gast » Di 29. Aug 2017, 08:47

Liebe Eugenia Louise,

wie wunderbar ist das, was passiert ist. Und du wirst mein frevelhaftes Schweigen mir hoffentlich verzeihen.

Denn ich erhielt einen Brief von meinem geliebten Mann aus Italien. Voller Glück ging ich in die Kirche, um unserem Herrn zu danken und für eine sichere Rückkehr zu bitten, als mich die etwas missgünstige Frau des Lehrers anhielt, um mir Zweifel über die Lauterheit und Treue meines Heinrich Herbert einreden zu wollen. Stelle dir das einmal vor, Eugenia Louise. Mein Mann opfert sich für die Wissenschaft, von der letztlich auch ihre Kinder, diese - der Herr möge mir meinen Ärger verzeihen - fürchterliche Brut, profitieren werden. Und sie will mir einreden, wie ich mir denn sicher sein könne, dass mein Gemahl, der über jeden Zweifel erhaben ist, sich hätte eine Geliebte in Afrika, eine Heidin womöglich, genommen. Egal welchen Glaubens, eine Geliebte ist immer für die Ehefrau nicht nur eine Rivalin, sondern ein Beweis für das Fehlgehen der ehelichen Gelübde seitens des Mannes. Und wer weiß schon, wie überzeugend die Missionare waren. Oder auch nicht. Letztlich ist das ohne Belang.

Ich verabschiedete mich höflich von dieser Person. Sie spricht wohl eher aus eigener Erfahrung, wie man so über das Betragen ihres Bruders hört. Ihr Mann interessiert sich ja nur für Schulbücher. Leider nicht für andere Ausgaben der Autoren und Buchdrucker.

Jedenfalls, liebste und vor allem treue Freundin, ging ich heim, noch voller Groll auf diese Person und mich vor Sehnsucht und Freude auf meinen Heinrich Herbert verzehrend. Daheim bat ich die Köchin, mir einen Kaffee zu bereiten. Und während ich wartete, schaute ich meiner Gewohnheit der letzten Monate folgend aus dem Fenster hinaus auf die Straße, die meinen Gemahl in die Ferne brachte. Eine Kutsche kam und hielt vor dem Haus und mir bleib das Herz für einen Moment stehen. Ihr entstieg mein Heinrich Herbert. Welch' freudiges Wiedersehen, du kannst es dir vorstellen.

Bald schreibe ich dir mehr, denn es ist hier so viel passiert. Ich erlaube mir dir mit gleicher Post ein Päckchen mit kleinen Seifen zu senden. Kamille und Milch. Bitte, verteile sie mit deinen Freundinnen an Bedürftige, vor allem an Kinder, und habe Sorge, dass sie sie auch benutzen. Wenn du erlaubst und es in deinen Augen sinnvoll ist, werde ich in Zukunft dir des Öfteren ein Kistchen gleichen oder ähnlichen Inhalts schicken. Ich möchte Gutes tun. Als Dank für Heinrich Herberts sichere Heimkehr.

Deine Anselma

Gast

Re: Das Leben ist kein Seidenschal - Freiin Anselma Elfriede Gutrid von Hochfeld zu Kammern berichtet

Beitrag von Gast » Mi 13. Sep 2017, 12:10

Liebe Eugenia Louise,

ein wenig Zeit ist ins Land gegangen und endlich finde ich die Muße, dir zu schreiben, wie es uns geht. Uns, Heinrich Herbert ist da, endlich bei mir und unsere Gebete sind wahr geworden. Danke, liebste Freundin, dass du mir die ganze Zeit mit Rat und Freundschaft zur Seite gestanden hast.

Lasse dir berichten, wie es uns geht. Ich bin wahrlich überglücklich, nicht mehr allein zu sein. In den ersten Tagen hat Heinrich Herbert viel Ruhe gebraucht. Es war für ihn eine anstrengende Reise von Afrika hierher. Ich ließ den Doktor kommen, der glücklicherweise meinem Gemahl beste Gesundheit, wenngleich eine Erschöpfung attestieren konnte. Gegen die Erschöpfung, die sich mit all' den Strapazen erklären lässt, habe ich die Köchin angewiesen, eine stärkende Hühnersuppe zu bereiten. Sie wird ihm helfen, wieder im gewohnten Klima zu Kräften zu kommen. Auch habe ich ihm einen Karlsbader Brei ans Bett bringen lassen. Was bin ich froh, dass wir in der Schule solche Rezepte kennengelernt haben, die einem treffliche Dienste leisten, wenn die Lieben daheim krank zu Bett liegen.

Bald werde ich die Arbeit auf dem Gut an meinen Mann abtreten und mich wieder allein nur noch den Pflichten der Hausfrau widmen. Einerseits freue ich mich, auf meinen Platz zurück kehren zu können. Doch andererseits möchte ein Teil in mir dieses unabhängige Leben weiterführen. Gestern bei meinem täglichen Rundgang war ich einerseits angestrengt von den lärmenden Blechtrommeln. Sie müssen selbstverständlich vor dem Verkauf auf ihre Qualität hin geprüft werden. Jedoch komme ich nicht umhin zu vermuten, einen gewissen Spaß in den Gesichtern der Handwerker zu sehen, wenn sie testweise auf die Trommeln schlugen.

Nein, Eugenia Louise, ich gehe auch bei solchen schweren Gelegenheiten nicht fort. Sie sollen auf gar keinen Fall auf den Gedanken kommen, mich auf diese Art vertreiben zu können. Ich wies sie an, nach dem Testen ein Konzept für andere Farben zu entwerfen. Morgen sollen sie fertig sein und mir Vorschläge unterbreiten.

Du bist sicherlich verwundert, aber ich stellte im Laufe der Zeit fest, dass es gut ist, die Handwerker an den Entscheidungen zu beteiligen. Meines ist das letzte Wort, aber ignorieren möchte ich sie nicht. Sie haben oft Ideen, die gewinnbringend sind. Mit den Kleinigkeiten können wir viel erreichen. Denke doch nur an meine Seifen, die sich immer mehr zu einer sicheren Stütze des Gutes entwickeln. Die Werbung durch die kleinen Beilagen hat Kunden dazu gebracht, feste Bestellmengen zu ordern. Das ist doch ein Glück für ein Unternehmen. So finde ich.

Selbstverständlich freue ich mich über deine Freundinnen, denen ich gern ein Willkommen bereite und auf deren Plaudereien ich mich immer besonders freue. Sie gaben mir die Anregung, mehr Blumendüfte zu verwenden oder gar Parfüms zu benutzen, um einer Seife mehr Duft zu verleihen. Maiglöckchen, denke ich. Zitronenverbene wäre auch gut. Und beides wird im kommenden Jahr meinen Garten zieren und die Duftessenzen liefern, die wir benötigen. Natürlich, wenn Heinrich Herbert meint, dass es sich um richtige Entscheidungen handelt. Vielleicht sollte ich die Damen dennoch auf eine Tasse Kaffee an unsere Tische und auf unsere Stühle bitten und ihnen die Neuheiten unseres Hauses in bequemen Rahmen präsentieren. Zur Probe, hoffentlich zum Kauf. Darüber muss ich noch ein wenig nachdenken und mich natürlich mit Heinrich Herbert beratschlagen.

Fast, liebste Freundin, fürchte ich den Tag, an dem er das Gut übernimmt. Denn mir werden aus ehrlichen Herzen gesagt die Menschen fehlen, die mich in den letzten Monaten umgaben. Auch wenn ich gern wieder die Stelle der Hausfrau übernehmen werde. Nur noch die häuslichen Angelegenheiten, die Küche und die Mägde beaufsichtigen. Den Knechten auf die Hände schauen und die Produkte unserer Fabriken für das Haus zu verwenden. Das ist gewiss auch sehr reizvoll. Denke ich.

Mit gleicher Post sende ich dir diesmal getrocknete Apfelringe. Sie stammen aus unserer Ernte. Wie haben einen Obsthof. Unsere neueste Errungenschaft. Die weniger schönen Früchte gab ich den Handwerkern, den Mägden und Knechten, dem Personal kurz gesagt, als Geschenk mit. Jeder konnte einige nach Haus für die Familie mitnehmen.

Stelle dir vor, wie die netten Menschen, die mich in den letzten Monaten erst mit großer Skepsis, jetzt mit Respekt grüßen, vor mir standen, ihre Mützen zogen und voller Rührung die Geschenke entgegen nahmen. Ich habe ihnen auch Seife gegeben, duftende für die Frauen daheim. Sie strengen sich alle wesentlich mehr an, seit ich gelegentlich ihnen etwas zukommen lasse. Wenn ich mich zurückziehe und Heinrich Herbert die Führung der Geschäfte überlasse, werde ich mich weiter für diese Großzügigkeit einsetzen. Es kommt den Menschen zu Gute und unseren Produkten ebenso. Ach, Eugenia Louise, der Abschied wird mir nicht leicht fallen.

Sei herzlich gegrüßt von

deiner Anselma

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